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Dienstag, 4. Dezember 2012

Den Cashflow reinvestieren - damals und heute


Der BVB hat einen Trainer, der total erfolgsbezogen mit Dortmund Meister werden will, der Präsident spricht bei Neuverpflichtungen von einer "Erhöhung des Anlagevermögens" und dem Manager unterstellen die Fans "kühlen Geschäftssinn". Borussia Dortmund im Jahr 2012? Nicht wirklich! Borussia Dortmund Anfang der Neunziger schon eher.

Im Archiv des Spiegels lässt es sich ja hervorragend stöbern und so bin ich auf zwei Texte vom März 1993 und Dezember 1994 gestoßen, die die Situation beim BVB zur damaligen Zeit beschreiben:
Die Artikel werfen einen kritischen Blick auf die Dortmunder und verurteilen die Kommerzialisierungstendenzen im Fußball. Der BVB, gerade auf dem Weg nach oben nach guten Platzierungen in der Bundesliga und dem Einzug ins Finale des UEFA-Pokals 1993, und immer darauf bedacht, die Mannschaft mit Serie A-Spielern zu verstärken. Die drei oben angesprochenen Akteure Hitzfeld, Niebaum und Meier sind da schon seit 1991 zu dritt am Werk und basteln an einer erfolgreicheren Borussia. Und sind damit ja bekanntermaßen nicht ganz unerfolgreich. Mit viel Geschäftssinn geriert man sich als wachsendes Unternehmen und betreibt offensives Marketing. Dem Spiegel ist das Gebaren der Dortmunder ein Dorn im Auge. Viel zu erfolgs- und finanzorientiert, zu weit weg von den echten Fans. Hitzfeld wirkt so seriös, "als sei er vom Personalberater irrtümlich auf den Fußballplatz geschickt worden". Die Fans in der Fußgängerzone meinen: Die Liebe des Trainers Hitzfeld zum Verein laufe wohl "über den Gehaltsstreifen". Niebaum hat bei der Verpflichtung von Matthias Sammer lediglich den Cashflow der Borussia reinvestiert.

Man kommt zwar im Spiegel nicht umhin den Dortmundern Erfolg zu attestieren, allerdings wird ein negatives Bild vom Verein gezeichnet - vom "Stollen-Darwinismus", der die Mannschaft beherrschen würde, fabuliert der Spiegel da.

Im Vergleich zu heute wirkt das zunächst wie die turbokapitalistische, längst abgeschüttelte Vergangenheit. Präsident Rauball und Geschäftsführer Watzke haben den Verein saniert und wirtschaften vorsichtig optimistisch, Sportdirektor Susi Zorc, der vom Platz ins Büro gewechselt ist, verstärkt die Mannschaft mit jungen Talenten und an der Linie steht das genaue Gegenteil vom kühlen Ottmar Hitzfeld, Jürgen Klopp, der Pöhler, der "seine Jungs" nach vorn peitscht und mindestens genauso abgeht, wie die Dortmunder Fans. Nach außen wirkt das viel sympathischer.

Aber wenn man genauer hinschaut, liegen die Unterschiede der Dortmunder von heute und 1993 doch eher in der Art der Außendarstellung. Vor 20 Jahren dachte man sich: wir kommunizieren jetzt mal wie ein Großunternehmen und bauen ein paar Wirtschaftsvokabeln in unsere Interviews ein und natürlich war auch das Ziel ein anderes - Titel! Nach außen hin wollte man Vertrauen über Leistung und Erfolg aufbauen. Aber das klappt eben nur solange, wie man auch erfolgreich ist.

Heute gibt man sich in Dortmund und auch anderswo in der Bundesliga viel volksnäher und bescheidener. Wenn es um den Schuldenabbau im Verein geht, beschreibt Geschäftsführer Watzke der breiten Öffentlichkeit den Ernst der Lage nicht mit Zahlenkolonnen sondern erzählt lieber die kleine Anekdote, wie er einem Mannschaftsbetreuer 50 € zustecken musste, damit die Trikots gewaschen werden können. Wirkt doch viel heimliger als den Cashflow zu investieren? Und Michael Zorc, der Sportdirektor (Manager hört sich so nach Geld an), blättert für ein junges Talent auch mal 17 Mio. € hin. Und innerhalb der Mannschaft gibt es vermutlich auch Konkurrenzdenken, auch wenn nach außen alles recht harmonisch wirkt.

Die Dortmunder sind mehr denn je ein wirtschaftendes Unternehmen mit Businessplan, Cashflow, Stadionerlebnis für die ganze Familie und allem Drum und Dran - nur lassen sie uns das nicht mehr so sehr spüren.

Was ich damit sagen will? Auf keinen Fall will ich den BVB hier wegen seiner Außendarstellung verunglimpfen, die Kommunikation nach außen passt vor allem hervorragend zu handelnden Personen und Verein. Aber sie soll eben auch Sponsoren gefallen und man sollte sich immer bewusst sein, dass alles, was wir von den Dortmundern hören und sehen auf einer wie auch immer gearteten Kommunikationsstrategie beruht. Wir nehmen es ihnen gern ab und empfinden ein warmes Kribbeln in der Magengegend, wenn die Dortmunder Jungs Real Madrid schlagen. Mir gefällt diese Borussia besser als die der Neunziger und ein Bundesligist ohne Businessplan, der geführt wird die Bäckerei nebenan, wäre wohl kaum denkbar. Oder?

Aber die alte erfolgsgierige, Global-Player-Borussia passte vielleicht auch besser zu den Neunzigern, als sich jedermann auf Tatort-Onkel Krug verließ und fleißig T-Aktien zeichnete, um endlich auch schnell reich zu werden. Und wenn ich mich an meine Grundschulzeit Mitte der Neunziger erinnere, muss ich sagen, dass das Konzept von damals aufging - meine Mitschüler waren fast ausschließlich in Schwarz-Gelb gekleidet - 600 km von Dortmund entfernt. Aber diese Fanbasis war vergänglich - sie kaufte sich zwar Trikots und Schals, wandte sich aber später wieder vom Verein ab. Auch deshalb scheint der heutige Dortmunder Ansatz vielversprechender, denn es soll eine emotionale Bindung zwischen Fan und Verein aufgebaut werden. Der Verein als Wohlfühlmarke - das ist auch State-of-the-Art in der heutigen Werbewirtschaft (man denke an die neue Strategie eines Herstellers brauner Brause).

Wie gesagt, ich möchte hier nicht an den Dortmundern herummäkeln, auch ich finde sie sehr sympathisch. Die Spiegelartikel hingegen sind starker Tobak - ich konnte leider nicht herausfinden, welcher Journalist sich dort austoben durfte. Das Auftreten der Dortmunder passte, von heute aus betrachtet, sehr gut in die Zeit und der vorübergehende Erfolg gab dem BVB recht.

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