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Donnerstag, 3. März 2016

Die neue Sachlichkeit der Fußballsprache

Ein meinungsstarker Text im Kicker vom Montag hat eine Debatte entfacht (Text kostenpflichtig abrufbar bei Blendle). Autor Frank Lußem rechnet ab mit der Fachsprache die der heutige Fußball hervorgebracht hat, den Trainern und den Taktikanalysten insbesondere. Er empfindet die Sprache der sogenannten Konzepttrainer als Selbstzweck. Lußem seziert ein paar der Aussagen und kommt zu dem Schluss: das könnte man auch viel einfacher sagen.



Auf der Strecke bleibt seiner Meinung nach der Ottonormalverbraucher und der Fußball als Volkssport. Weil immer neue Begriffe Einzug halten, versteht der normale Fußballkonsument nicht mehr, wovon überhaupt die Rede ist.

Fakt ist: blumige Metaphern wie "der Pausentee" oder kriegerischen Handlungen entlehnte sprachliche Bilder wie "die Granate" werden immer seltener im Fußballsprech, geschweige denn, dass ein Trainer der Gegenwart diese Begriffe noch in den Mund nimmt.

Die benutzten Termini der Experten haben immer weniger mit der täglichen Umgangssprache gemein und mutieren zu einer eigenständigen wissenschaftlich angehauchten Fachsprache, die nicht mehr jedem zugänglich ist. Diese Entwicklung muss man natürlich nicht begrüßen. Und natürlich sollte man immer hinterfragen: Was wurde da jetzt gerade wirklich gesagt? Handelt es sich um hohle, zum wissenschaftlichen Diskurs aufgeblähte, Phrasen, die eher der Verwirrung beziehungsweise der Verschleierung von Missständen auf dem Platz dienen als der Aufklärung?

Sprache verändert sich auch immer, weil sich das verändert, was sie beschreibt


Andererseits, ich für meinen Teil begrüße die Entwicklung auch. Sprache verändert sich auch immer, weil sich das verändert, was sie beschreibt. Und dass sich der Fußball verändert, steht außer Frage. Es sagt ganz einfach niemand mehr Torsteher, weil der Mann zwischen den Pfosten inzwischen weit mehr tut, als einfach nur herumzustehen und auf einen Schuss zu warten, den es "zu entschärfen" gilt. Und wenn man es genau nimmt, ist der Begriff "Manndecker" inzwischen wirklich aus der Zeit gefallen. Man wird ihn noch hier und da hören in den nächsten Jahren, aber zweifelsohne beschreibt der Term nicht mehr den Kern dessen, was ein Verteidiger heute auf dem Platz tut.

Dass Begriffe und Redewendungen aussterben und neue aufpoppen ist für mich von daher ein positives Signal. Es tut sich was. Mir würde es zu denken geben, wenn Spieler, Trainer, Berichterstatter noch immer im gleichen Duktus wie vor 30 Jahren kommunizieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass man Veränderungen kritisch beäugt. Aber würden wir immer so weiter über Fußball sprechen und schreiben wie bisher - wäre das nicht unfassbar langweilig?

Stilistisch und inhaltlich darf und muss man die neue Sachlichkeit der Fußballfachsprache natürlich hinterfragen. Das gilt insbesondere für das "Taktikdeutsch", welches Trainer und Spielanalysten eingeführt haben. Die Autoren von Taktikanalysen sind sich durchaus der Krux bewusst, dass ihre Formulierungen teils schwer verständlich für Außenstehende sind. Pauschal zu unterstellen, es handle sich nur um heiße Luft und elitäres Geplapper, ist meiner Meinung nach zu kurz gegriffen.

Der Sportjournalismus ist gefragt


Wer Taktikanalysen lesen möchte, der darf das tun oder bleiben lassen, wenn er dazu keinen Zugang findet.

Wenn Trainer oder Spieler in Rätseln sprechen, weil sie Begrifflichkeiten verwenden, die dem Außenstehenden unverständlich sind, kann man sie natürlich dafür anprangern und insistieren, sie mögen doch bitte so sprechen, dass es das Publikum versteht. Man könnte diese Kommunikation allerdings auch als das sehen, was sie ist: ein Experte äußert sich in seiner ihm eigenen Fachsprache zu seinem Fachgebiet. An dieser Stelle ist dann vielleicht der Sportjournalist am anderen Ende des Mikrofons gefragt. Als Bindeglied zwischen Fachmann und Laie könnte er dazu beitragen, dass wir alle verstehen, was Konzepttrainer XY da eigentlich meint. Das begreife ich als eine Aufgabe des Journalismus - Laien komplexe Sachverhalte nachvollziehbar wiedergeben.

Markige überschriftenreife O-Töne sind natürlich einfacher zu verarbeiten, gehören aber der Vergangenheit an. Natürlich wird man launige Gesprächspartner, die "mal einen raushauen", vermissen - das gilt sowohl für den Journalisten als auch den hiesigen Fußballkonsument. In Erinnerungen zu schwelgen und die "alte" vertraute Fußballsprache bewahren zu wollen, ist aber dennoch nicht die Lösung und wohl ein Kampf gegen Windmühlen.

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1 Kommentar:

  1. "Das begreife ich als eine Aufgabe des Journalismus - Laien komplexe Sachverhalte nachvollziehbar wiedergeben."

    Das problem ist das die meisten Sportjournalisten Sport nicht für komplex halten und Sportjournalismus dann zu einer anneinanderreihung von Meinungsartikeln gerät.

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